Sie rannte später als sonst aus der Wohnung.
Der Wecker hatte nicht geklingelt, die Kaffeemaschine war hängen geblieben, und der Knopf am Mantel wollte sich einfach nicht schließen.
Kleinigkeiten, die normalerweise nerven.
Aber an diesem Morgen schien alles so zu laufen, als wollte jemand Unsichtbares sie absichtlich aufhalten.
Sie ging schnellen Schrittes, dann fing sie an zu rennen.
Der Wind zerrte an ihren Haaren, die Sonne blendete sie direkt.
Ihr Herz schlug im Takt ihrer Schritte, und vorne an der Kreuzung sah sie schon den Bus — genau den, mit dem sie jeden Morgen fuhr.
Er stand da, die Türen offen, der Fahrer rauchte am Steuer.
Sie beschleunigte.
Doch als die Ampel zu blinken begann, warf der Fahrer die Zigarette weg, seufzte und schloss die Türen.
— Warten Sie! — rief sie, aber der Bus setzte sich bereits in Bewegung.
Sie blieb stehen, atmete schwer und sah zu, wie er davonfuhr, immer schneller.
Enttäuschung, die gewohnte Verärgerung — und plötzlich … ein seltsames Gefühl.
Kein Zorn, keine Müdigkeit — etwas anderes.
Als wäre es in ihr plötzlich still und leer geworden.
Sie setzte sich auf die Bank an der Haltestelle.
Holte ihr Handy heraus, um ein Taxi zu rufen.
Der Himmel war klar, der Morgen wirkte hell und friedlich.
Doch die Stille wurde auf einmal zu tief.
Aus der Ferne war ein dumpfes, langgezogenes Geräusch zu hören.
Dann ein Schrei.
Dann Stille.
Die Leute an der Haltestelle sahen sich an, einige standen auf, andere gingen nach vorne.
Auch sie erhob sich und blickte in die Richtung, in die der Bus gerade erst gefahren war.
Hinter der Kurve stieg eine dünne Säule aus grauem Rauch auf.
Der Wind brachte einen Geruch mit sich — scharf, unerträglich vertraut, wie verbrannter Gummi.
Sie ging vorwärts, ohne ihre Beine zu spüren.
Mit jedem Schritt schlug ihr Herz heftiger.
Als sie um die Ecke bog, sah sie — die Straße war gesperrt.
Autos standen still. Menschen blickten starr.
Und dort vorn, an der Kreuzung, zwischen verbogenem Metall, stand der Bus.
Auf dem Asphalt glitzerten Glassplitter, Rauch stieg vom Dach auf, und Rettungskräfte eilten umher.
Sie erstarrte.
Konnte nicht atmen, sich nicht bewegen.
Sie sah nur, wie sich die Sonne im zerbrochenen Glas spiegelte
und begriff, dass sie nur wenige Sekunden von diesem Ort getrennt hatten.
Eine Frau von der Haltestelle kam zu ihr und sagte, der Bus sei mit einem Lastwagen zusammengestoßen, der Fahrer sei auf der Stelle gestorben.
Sie hörte zu, ohne wirklich zu hören.
Stand mitten auf der Straße, während die Welt um sie herum in Stücke zerfiel.
Zu Hause saß sie lange am Fenster.
Der ganze Morgen kam ihr vor wie ein Traum — zu still, zu präzise.
Jedes kleine Detail:
der Wecker, der Kaffee, der Knopf,
die sie vorher geärgert hatten,
waren nun wie gerettete Sekunden.
Am nächsten Tag erfuhr sie, dass der Unfall genau zu der Zeit passiert war, zu der sie eigentlich im Bus hätte sitzen sollen.
Der Sitz, den sie jeden Tag einnahm, lag genau auf der Seite des Aufpralls.
Sie schloss die Augen und spürte, dass die Welt sich verändert hatte.
Alles — der Atem, der Wind, die Geräusche — schien ihr eines zu sagen:
Manchmal warnt dich das Schicksal nicht. Es hält dich einfach nur eine Minute auf.
