Ich lebe in einer kleinen Stadt, in der sich alle kennen. Unser Nachbar Tom war schon immer ein seltsamer Mensch: Er hatte wenig Kontakt zu anderen, ging selten in den Garten, aber dafür prahlte er gerne mit seiner „exotischen Sammlung”. Er behauptete, dass er zu Hause eine echte Python habe, die zahm und absolut ungefährlich sei.
Meine Frau und ich lachten darüber: Na ja, wenn jemand eine Schlange hält, ist das seine Sache. Manchmal zeigte er sie sogar den Kindern aus unserem Hof – riesig, glänzend, zu Ringen zusammengerollt. Die Kinder machten große Augen, und die Erwachsenen nickten höflich. Tom versicherte:
„Sie ist gutmütig, hat sich an mich gewöhnt und wird nichts Böses tun.”
Aber eines Nachts hörte ich ein seltsames Rascheln im Hinterhof. Zuerst dachte ich, es sei eine Katze. Ich ging mit einer Taschenlampe hinaus und erstarrte. Eine riesige Schlange schlängelte sich über das Gras. Ich erkannte sofort, dass es die Python unseres Nachbarn war.
Mein Herz sank mir in die Hose. Meine Tochter schlief in meinem Haus. Ich rannte nach einer Schaufel, blieb aber stehen: Die Schlange zeigte keine Aggression, sie schien etwas zu suchen. Ich ging vorsichtig zurück ins Haus und rief Tom an:
„Deine Python ist in meinem Garten.“
Er antwortete viel zu ruhig:
„Lass sie dort. Ich komme gleich vorbei.“
Dieser Satz kam mir seltsam vor. Aber ich wartete. Nach etwa zehn Minuten tauchte Tom mit einem Sack auf. Er ging selbstbewusst auf die Schlange zu, aber sie stürzte sich nicht auf ihn. Im Gegenteil, sie kroch zum Schuppen, wo wir alte Sachen aufbewahrten.
Tom runzelte die Stirn. Ich bemerkte, dass er nervös war. Wir öffneten die Scheunentür, und was wir sahen, ließ mich erschauern. In der Ecke befand sich ein ganzes Nest. Kisten, Lumpen, Stroh – alles war in Bewegung. Und dort, inmitten dieses Chaos, wimmelten noch mehrere Schlangen. Kleine, aber eindeutig keine Haustiere.
„Was bedeutet das?“, flüsterte ich.
Tom wurde blass.
„Sie … sie ist nicht nur ein Haustier“, sagte er. „Sie ist ein Weibchen. Ich dachte, sie könnte ohne Männchen keine Eier legen. Aber ich habe mich geirrt.“
Ich wich zurück. In meinem Kopf herrschte Chaos: Es stellte sich heraus, dass in unserer Nachbarschaft die ganze Zeit nicht nur eine Schlange gelebt hatte, sondern eine ganze Familie.
„Wie viele sind es?“, fragte ich.
„Ich weiß es nicht“, antwortete er mit zitternder Stimme. „Sie schlüpfen nach und nach …“
Wir sahen uns an, und in diesem Moment hob eine der kleinen Schlangen den Kopf und zischte. Tom schnappte sich schnell die Python, warf sie in den Sack und befahl:
„Kein Wort darüber.“ Ich kümmere mich darum.
Aber am nächsten Morgen verbreitete sich die Nachricht bereits im ganzen Hof. Die Kinder hatten gesehen, wie er den Sack schleppte, die Nachbarn erzählten von seltsamen Geräuschen in der Nacht.
Und ich dachte die ganze Zeit über eines nach: Wenn er sich „darum kümmert“, wie wird er das dann tun? Wird er sie auf dem Feld freilassen? Oder wird er wieder versuchen, sie zu Hause zu halten?
Ein paar Tage später hörte ich wieder ein Rascheln im Garten. Aber diesmal war es nicht nur eine Schlange. Es waren zwei. Klein, aber schnell. Ich nahm eine Taschenlampe und schaute genauer hin. Auf dem Gras lag ein kleines Stück Haut, das Schlangen abwerfen.
Mir wurde klar, dass sie wachsen. Und dass es sich nicht mehr nur um eine Marotte meines Nachbarn handelte. Es war eine Bedrohung.
Tom rechtfertigte sich später lange. Er sagte, er wollte „der Welt beweisen, dass sogar Schlangen Freunde des Menschen sein können“. Aber ich sah in seinen Augen, dass er die Situation nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Und der schrecklichste Gedanke ließ mir keine Ruhe: Wenn ich eines Nachts wieder ein Rascheln hören würde, wäre es nicht sicher, dass es die Python meiner Nachbarin wäre. Vielleicht wären es ihre „Kinder“, die sich ein neues Zuhause ausgesucht hätten.
Wenn ich jetzt in meinen Garten gehe und das leiseste Geräusch im Gras höre, wird mir innerlich ganz kalt. Denn ich weiß: Eines Tages werden wir alle erkennen, dass das „Haustier“ des Nachbarn ein Vermächtnis hinterlassen hat … und das nicht nur in seinem Haus.
