Eine Frau kehrte ins Hotel zurück, um ihre vergessene Tasche zu holen — und ertappte das Zimmermädchen mit etwas, das ihr gehörte

Der Morgen war gewöhnlich: grauer Himmel, Kaffeegeruch aus dem Kiosk, Pfützen nach dem Regen.
Martin stand an der Haltestelle, hielt eine Aktentasche und eine Papiertüte mit belegten Broten in den Händen. Das Hemd spannte, der Kragen schnürte, die Achseln waren feucht – alles wie immer.

Als der Bus heranfuhr, drängten sich die Leute zu den Türen.
Er stellte sich zuletzt an. Tat einen Schritt nach vorn.
Der Fahrer sagte, ohne hinzusehen, trocken:
— Voll. Warten Sie auf den nächsten.
Martin blickte in den Innenraum – Platz war da, aber niemand rückte. Die Frau am Fenster wandte den Blick ab, der Junge mit den Kopfhörern tat so, als schlafe er.

Hinter ihm flüsterte jemand, nicht leise genug:
— Wohin will der überhaupt, der passt doch sowieso nicht rein.
Seine Schultern zogen sich zusammen. Die Worte klebten an der Haut wie Schmutz.

Der Bus fuhr los. Die Türen schlossen sich mit einem Geräusch, das an einen Seufzer erinnerte.
Martin blieb im Nieselregen stehen. Dann packte er die Tüte fester und ging zu Fuß.

Der Weg führte entlang der Straße. Motorenlärm, Geruch von nassem Asphalt, Tropfen liefen ihm über die Brille. Er ging schnell, als wollte er sich selbst beweisen, dass er keine Erlaubnis brauchte, sich zu bewegen.

Auf halbem Weg blieb er stehen – um Luft zu holen. Neben der Straße stand eine alte, verrostete, nasse Bank. Er setzte sich. Holte ein Sandwich aus der Tüte. Biss hinein. Ihm war, als müsste er lachen – bitter und ruhig zugleich.

Vorbei fuhr „sein“ Bus. Derselbe, der ihn nicht mitgenommen hatte. Nur jetzt – mit Sirenen. Rauch aus dem Fenster, Funken, Brandgeruch.
Martin erstarrte. Menschen rannten in die Seitenstraße, jemand rief: Motorexplosion.

Er stand auf. Blieb lange einfach stehen, bis er begriff – das war der Bus. Genau der.
Die Knie zitterten. Er setzte sich wieder auf die Bank und sah auf die Straße, wo durch den Regen schon die Lichter des Krankenwagens aufblitzten.

Das Sandwich in der Tüte war kalt geworden. Er legte es neben sich, atmete tief ein – und fühlte zum ersten Mal seit Jahren keine Scham über seinen Körper.
Denn gerade dieser Körper – seine Schwere, seine Langsamkeit – hatte ihm das Leben gerettet.

Er lachte. Leise, aufrichtig.
Und dann ging er einfach weiter. Ohne Eile.
Diesmal nicht, weil man ihn nicht mitnahm, sondern weil er selbst das Tempo wählte.

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