Mittag.
Der Schulhof bebte vor Geräuschen: Pfiffe, das Schlagen des Balls, Rufe der Schüler, der Geruch von heißem Asphalt und frischem Gras.
Der Sommer ging zu Ende, doch die Sonne brannte immer noch in die Augen, spiegelte sich im Metallzaun.
Auf dem Spielfeld stand die Klasse 8B.
Der Sportlehrer – groß, laut, mit der ewigen Pfeife um den Hals – stellte die Schüler in Reihen.
„Schnell in den Kreis!“, rief er. „Wir testen die Geschwindigkeit vor dem Wettkampf!“
Die Kinder lachten, jemand klopfte einem Freund auf die Schulter, jemand warf den Ball.
Alle – außer einem.
Leon.
Still, mit ordentlich zugezogener Trainingsjacke, in Turnschuhen, deren Farbe längst verblasst war.
Er versuchte, nicht aufzufallen – und fiel doch immer auf.
Seine Bewegungen waren langsamer, sein Gang vorsichtiger, der Atem unruhig.
Aber er gab sich Mühe.
Jedes Mal.
„Leon, schneller!“, rief der Lehrer, als der Junge noch auf seine Linie zulief.
Leon beschleunigte, stolperte – fiel, stützte sich auf die Hände, stand auf, klopfte den Staub ab.
Für einen Moment wurde es still.
Dann lachte jemand.
„Vorsicht, Champion!“, höhnte eine Stimme.
Der Lehrer presste die Lippen zusammen.
„Wenn du nicht mithalten kannst, setz dich in den Schatten. Stör die anderen nicht.“
Die Worte klangen gleichgültig – aber sie trafen wie ein Schlag.
Er widersprach nicht.
Ging, setzte sich am Rand des Feldes, dort, wo das Gras in Staub überging, wo es immer stiller war.
Die Sonne brannte ihm auf den Rücken, der Rucksack lag neben ihm, und um ihn herum liefen fremde Stimmen – laut, gleichmäßig, schnell.
Er sah den anderen beim Laufen zu.
Der Lehrer pfiff erneut.
Der Ball rollte zu ihm. Er wollte ihn zurückgeben – kam aber zu spät. Der Lehrer hob ihn zuerst auf.
„Bleib sitzen“, sagte er knapp. „Nicht stören.“
Leon nickte.
Hob den Blick zum Himmel.
Greifbar blau. Wolkenlos.
Die Luft flimmerte, und es schien, als stünde selbst die Zeit still.
Dann änderte sich etwas.
Ein Junge verlangsamte das Tempo.
Dann ein zweiter.
Ein dritter blieb stehen.
Der Lehrer pfiff.
„Ich sagte: laufen!“
Aber niemand lief.
Zuerst standen sie nur. Dann ging einer zum Spielfeldrand. Dann ein weiterer.
Die Stille breitete sich aus – wie eine Welle.
Der Lehrer trat vor, blieb stehen.
Sah, wie seine Klasse einer nach dem anderen aus dem Kreis trat – auf Leon zu.
Schweigen.
Sonne.
Wind.
Er ließ die Pfeife sinken.
Und zum ersten Mal wusste er nicht, was er sagen sollte.
Am nächsten Morgen empfing die Schule Stille.
Der Platz war leer, das Gras glänzte im Tau.
Die Kinder kamen früher als sonst.
Der Lehrer – auch.
Aber Leon kam nicht.
Die Bank, auf der er gestern gesessen hatte, war leer.
Niemand begann das Aufwärmen. Niemand berührte den Ball.
Der Lehrer stand am Tor, blickte in die Ferne, wo langsam die Sonne aufging.
Er dachte, gleich würden Schritte zu hören sein.
Langsam, leise – aber sicher.
Und die ganze Klasse hielt den Atem an und wartete auf dasselbe.
