Der Tag war zu klar, als dass etwas Schlechtes hätte geschehen können.
Die Sonne spiegelte sich in der Windschutzscheibe, die Luft flimmerte über der Straße, und irgendwo in der Ferne zirpten die Grillen.
Das Auto fuhr ruhig – der Vater am Steuer, die Mutter daneben, das Kind auf dem Rücksitz, eine Stofffigur fest an sich gedrückt.
Die Straße wand sich zwischen Kiefern, und alles ringsum atmete Sommer.
Das Harz war in der Sonne warm geworden, der Duft schwer und süß.
Vögel huschten zwischen den Zweigen, und es schien, als würde dieser Tag ewig dauern.
Niemand bemerkte, wie das Licht plötzlich leiser wurde – als hätte jemand unsichtbar den Lautstärkeregler der Welt zurückgedreht.
Die Schatten wurden länger, die Luft dichter, und in diesem verlangsamten Moment trat er aus dem Wald.
Ein Rehkitz.
Das Licht legte sich auf seinen Rücken, die Augen spiegelten den Himmel.
Es stand mitten auf der Straße, zart und doch unbeirrbar ruhig, als wüsste es genau, was es tat.
Der Vater trat auf die Bremse.
Das Auto schleuderte, Reifen quietschten, Sand spritzte unter den Rädern hervor.
Hinter der Scheibe – ein Augenblick der Stille, nur das pochende Herz in der Brust.
Das Reh rührte sich nicht.
Es sah einfach – direkt in die Augen des Fahrers.
Dann drehte es den Kopf – dorthin, wo die Straße hinter einer Kurve verschwand.
Als alles still wurde, stieg der Vater aus.
Der Staub sank langsam auf den heißen Asphalt, der Geruch von Gummi mischte sich mit Kiefernharz.
Und dann sahen sie ihn – den Erdrutsch.
Nur wenige Meter weiter brach die Straße ins Nichts ab.
Steine, Splitter, Erde – alles war hinabgestürzt, als hätte der Berg selbst tiefer atmen wollen.
Das Reh machte einen Schritt zur Seite, noch einen – und verschwand im Grün.
Kein Laut, keine Spur. Nur das sanfte Schwanken der Zweige, als wäre jemand durch die Luft gegangen.
Die Familie stand schweigend da.
Die Mutter hielt das Kind an der Hand, der Vater starrte auf die Stelle, wo das Reh eben noch gestanden hatte.
Dann kehrten die Geräusche zurück – das Rascheln der Blätter, der ferne Schrei eines Vogels, das leise Zirpen der Insekten.
Aber jetzt klang alles anders, lebendiger, als hätte die Welt gerade erst wieder begonnen.
Sie konnten nie erklären, wie es erschienen war.
Oder warum genau in diesem Moment.
Doch seit jenem Tag, wenn die Straße in den Schatten führt, nimmt der Vater den Fuß vom Gas.
Und die Mutter sagt leise:
„Manchmal kommt das Leben nicht mit Worten. Manchmal – mit einem Blick, der nur eine Sekunde länger bleibt.“
Und irgendwo dort, in der grünen Stille,
wartet vielleicht noch immer jemand,
um wieder auf die Straße zu treten.
