Vor vielen Jahren arbeitete Michael als Freiwilliger in einem Wildtierschutzheim in der Nähe von Nairobi.
Dort sah er zum ersten Mal ein kleines Löwenjunges — schwach, mit zerkratztem Gesicht und Augen voller Angst.
Die Mutter des Jungtieres war gestorben, und es war ganz allein zurückgeblieben.
Michael nahm es in die Arme, nannte es Kai und lebte mehrere Monate mit ihm: Er fütterte es mit der Flasche, kämmte seine Mähne, brachte ihm bei, keine Angst vor Regen und Donner zu haben. Als Kai größer wurde, brachte man ihn in ein Schutzgebiet, damit er frei leben konnte.
Michael reiste ab — mit dem Gefühl, einen Teil von sich selbst zurückgelassen zu haben.
Elf Jahre vergingen.
Michael kehrte als Tourist nach Kenia zurück. Er hatte nicht vor, jemanden zu suchen, wollte nur die Tiere wiedersehen, denen er einst geholfen hatte. Doch während einer Safari sagte der Guide plötzlich:
— Sehen Sie dort? Das ist Kai. Er ist der ruhigste von allen. Aber er nähert sich niemals Menschen. Niemals.
Michael bat, das Fahrzeug anzuhalten.
Er trat hinaus auf den heißen Boden der Savanne.
Der Löwe stand im Schatten einer Akazie — riesig, golden, selbstbewusst. Seine Mähne wehte im Wind, und seine Augen waren ruhig.
Michael machte ein paar Schritte.
Der Guide flüsterte:
— Gehen Sie nicht näher, das ist gefährlich!
Doch der Löwe bewegte sich nicht.
Er sah nur.
Eine Sekunde. Zwei. Und plötzlich — ein Knurren, ein schwerer Schritt…
Der Löwe sprang vor.
Alle schrien.
Jemand griff nach einer Waffe.
Michael erstarrte — nicht aus Angst, sondern aus Wiedererkennen.
Er kannte diesen Blick.
Der Löwe näherte sich, blieb einen halben Meter entfernt stehen — und… stieß ihn sanft mit dem Kopf gegen die Brust, als wolle er sich anschmiegen.
Michael legte die Arme um seinen Hals.
Die gewaltige Mähne, warm und nach Sonne und Staub duftend, zitterte unter seinen Händen.
Der Löwe gab ein tiefes, leises Brummen von sich — kein Brüllen, sondern fast ein Schnurren.
Der Guide traute seinen Augen nicht.
Zwei Minuten Stille, zwei Wesen — Mensch und Tier — standen einfach da, umarmt.
Als Kai sich zurückzog, sah er Michael an, als würde er mit den Augen lächeln, und ging langsam zu seinem Rudel zurück.
Michael wischte sich das Gesicht.
— Er hat mich nicht vergessen, — sagte er. — Er hat nur gewartet, bis ich zurückkomme.
